Alter: 40    Kinder: Philip (13), Samuel(10), Noah (3)

 

Es gibt nicht nur hyperaktive Kinder, sondern auch hyperaktive Mütter. Nur was tut man als Mutter mit dieser «Krankheit»?  Mirjam hat sich ihr Leben so eingerichtet, dass sie ihren Kinder ein ruhender Pol sein und trotzdem ihre ständig pochende kreative Ader ausleben kann.

Nach der Matur verschlug es Mirjam in ein Büro. Ihr damaliger Chef führte sie in die Welt des Marketings ein. Als sie schwanger wurde, war der Kommentar der Bürokollegen: Was, Du und Schwanger?! Keiner konnte sich das bei ihr so recht vorstellen. Nach einem Jahr zu Hause jagte es ihr im wahrsten Sinne «den Nuggi» raus. Sie musste noch etwas anderes tun und gründete kurzerhand eine eigene Firma, die sich mit Marktforschung im Bereich "Baby und Kleinkind" beschäftigte. Ihr Slogan " Wir kennen den Markt so gut wie unsere Wickeltaschen" hat rasch namhafte Kunden in dieser Branche überzeugt.

Sie arbeitete von zu Hause aus und die Kunden hatten sich bald daran gewöhnt, dass man im Hintergrund auch mal ein Baby hörte. Das grosse Geld machte sie damit nicht, aber es machte ihr unheimlich Spass und sie musste nicht weg von ihren Kindern. Mirjam: «Es ist ein grosses Privileg, das ich als Hausfrau hatte. Ich musste kein fixes Einkommen nach Hause tragen und war deshalb freier in der Auswahl meiner Erwerbstätigkeiten.»

Einmal organisierte Mirjam mit Ihrer Geschäftspartnerin eine Babytour. Nach dem Motto ‚aus der Praxis für die Praxis‘ wollten sie Müttern zeigen, welche Babyprodukte wirklich brauchbar und sinnvoll sind. Die Babytour wurde zu einem Riesenflop, aber sie lernte dabei André Bühler von Present-Service kennen - das ist die Firma, die nach der Geburt die Geschenkköfferli abgibt und welche den direktesten Draht zu jungen Familien hat. Bei ihm klopfte sie nach 4 Jahren wieder an und sagte: Hey, es gibt immer noch keine Babymesse! Sein Interesse war gross, da er sich auch schon länger mit dieser Idee beschäftigte. Damit war die FamExpo geboren und Mirjam wurde zu deren Kommunikationschefin mit einem 50% Jahresarbeitspensum. Einen Arbeitstag wöchentlich musste sie im Büro präsent sein, dann schaute zu Hause die Schwiegermutter zu den Kindern. Einen weiteren Tag pro Woche besuchte der Kleinste die Krippe und liess Mami so Zeit zur Arbeit und auch für ein paar Stunden alleine mit den anderen Jungs. Den Rest der Arbeit erledigte Mirjam meist abends am PC. Es war für sie eine geniale Zeit, die FamExpo aufzubauen, und sie hatte Power für drei. Mirjam: «Es hatten zuvor schon einige erfolglos versucht, eine Babymesse aufzubauen. Aber ich wusste einfach, dass es funktionieren würde. Wir hatten die Erfahrung aus der Praxis und wussten genau, was es brauchte, damit eine solche Messe bei jungen Eltern ankommt.» Und siehe da, es klappte. Die FamExpo steht nun im dritten Jahr und zieht alljährlich mehr als 20‘000 Besucher an.

Nun verabschiedet sie sich von diesem Projekt und übernimmt das Marketing in der Firma ihres Mannes. Dies zu denselben Konditionen, sie möchte die Zeit mit den Kindern noch einmal so richtig geniessen. Denn sie werden alle grösser und werden bald einmal ihre eigenen Wege gehen und sich von ihr entfernen. Jetzt freut sie sich, dass sie nach rund 20 Jahren auch einmal weg kommt vom Thema Familie und Babys, neu wird sie Kugellager und Keilriemen vermarkten.

Ganz lassen kann sie’s aber doch nicht. Mit einer Freundin, die gerade das fünfte Kind bekommen hat, hat sie die Internetplattform muetter.ch eröffnet. Dort berichten die beiden sowie eine Grossmutter aus dem Mütter-Alltag. Mirjam: «Heute ist die Gesellschaft in allen Dingen sehr offen und tolerant. Du kannst bi- oder homosexuell, tatöwiert und gepierct sein, es stört keinen. Aber wehe eine Mutter lässt ihr Kind bei 30 Grad in den Gummistiefeln rumlaufen. Dann heben alle den Zeigefinger. Eine Mutter darf keine Depressionen haben, sie darf nicht denken ‚meine Kinder gehen mir jetzt auf die Nerven‘, sie darf zu Hause kein Chaos haben.

Das ärgert mich. Nach aussen vermitteln wir Mütter: Ja, ja, das gibt es alles, aber nicht bei mir.» Mit ihrem Webprojekt möchte sie zeigen, dass es anderen genauso geht und sich alle im Alltag mit denselben Problemen herumschlagen. Weil keine Mutter auf die Strasse steht und sagt: hey, mir wächst alles über den Kopf. Mirjam: «Als Mutter will man immer top sein, dieses Leistungsdenken und die ganzen ‚do’s‘ und ‚dont’s‘. Vielmehr sollte man sich doch darauf besinnen, was man selbst denkt und fühlt. Das sind die besten Momente - wenn man einfach etwas aus dem Bauch heraus macht, was richtig ist.»

 

 

Familienatmosphäre

Der Kampf auf dem Sofa. Unser Sofa ist riesig, aber irgendwie ist es immer zu klein. Jeder will neben Mami sitzen oder noch besser zwischen Mami und Papi. Da gibt es viel Streit und Ärger, oft nur um des Ärgerns willen. Nach dem Sturm vor der Ruhe folgt dann meist die gesuchte Nähe und welcher Film läuft, das interessiert dann eigentlich keinen mehr.

 

Highlights

Für mich sind das die Momente, in denen wir miteinander reden. Ein gutes Beispiel ist der Freitag, da bin ich mit  Philip alleine zum Mittagessen. Das ist jeweils nur eine Stunde, aber das ist die Zeit, in der wir am besten miteinander reden können, denn sonst stehen die jüngeren meist im Mittelpunkt. Er erzählt mir von der Schule und Dinge, die aus seiner Sicht die anderen nichts angehen. Nach dem Essen machen wir in Ruhe ein Spiel und keiner stört uns.

 

Rituale

Ich weiss, Kinder brauchen Rituale, aber ich bin einfach nicht der Typ, der abends Geschichten erzählt oder vorsingt. Wir haben unser Ritual nach dem Nachtessen. Dann sitzen alle am Tisch und wir machen ‚Highlights und Lowlights‘. Ich glaube, ich hatte einmal damit angefangen, dass ich die Kinder fragte: Was war Dein Highlight heute und was war Dein Lowlight? Seither ist das zum täglichen Ritual geworden. Irgendjemand fängt an und fragt in die Runde: Was war heute Dein Highlight? Und dann erzählen alle. Nur der Kleine hat noch nicht ganz begriffen, wie es funktioniert. Er fragt manchmal schon am Morgen: Mami, was war heute Dein Highlight?

 

Damit kann man mich jagen

Mit Leuten, die gerne andere kontrollieren und alles besser wissen. Das fängt bei denen an, die sagen: Sie stehen hier im Fall im Parkverbot und das kostet sie fünfzig Franken, wenn sie erwischt werden, bis zu der Mutter, die sagt: Tja, wenn du denkst, dass dein Kind in der Krippe gut aufgehoben ist, dann mach das doch.

 

 

Arbeitsteilung

Mein Mann räumt für mich immer die Küche auf. Er kann nicht kochen und ich koche leidenschaftlich gerne, dafür räumt er danach auf. In einem Bubenhaushalt ist es wichtig dass die Buben sehen, dass Männer auch etwas in der Küche machen.

 

Typisch Hausfrau!

Ich hasse es, wenn Schuhe herumstehen. Alle kommen herein und werfen ihre Schuhe einfach hin – innert kurzer Zeit sind das zwischen 6 und 8 Paar Schuhe, die ich dann wieder wegräumen 'darf'.

 

So tanke ich auf

Mit dem Hund bin ich von hier in zwei Minuten im Wald oder am Fluss unten und regeneriere bei einem Spaziergang mit Kopfhörer und guter Musik. Und natürlich wenn ich kreativ bin wie bei muetter.ch.

 

Das treibt mich

Die Neugier treibt mich. Heute hat man mit dem Internet die ganze Welt zu Hause und es gibt da so viele spannende Dinge zu entdecken!

Bezüglich Muttersein ist es mir wichtig, dass man den Warnfinger etwas runternimmt. Als Mutter bist du auch nur ein Mensch und darfst auch Fehler machen. Niemand kann in allem perfekt sein – weder als Mutter noch als Berufsfrau. Ich würde mich freuen, wenn ich inmitten meiner zahlreichen Suchen endlich die Antwort finden würde, was zu tun ist, damit wir Eltern einander verstehen, helfen und akzeptieren, ohne dabei lange nach Erziehungskursen zu suchen – es ist Zeit, dass wir lernen, auf unseren Instinkt zu hören!

 

 

 

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Portrait Juni 2008