Monika(40) Ruedi(42)    Kinder: Stephanie(16), Simon(14), Raphael(13)

 

Die Siegenthalers haben nur einen Job. Nichts Aussergewöhnliches, möchte man meinen. In diesem Fall jedoch schon, denn Monika und Ruedi teilen sich dieselbe Stelle als biomedizinische Analytiker, beziehungsweise Analytikerin (ehemals Laboranten) am Zürcher Universitätsspital. Ruedi arbeitet jeweils zwei Wochen im Spital, danach Monika für zwei Wochen und dann ist Ruedi wieder an der Reihe.

Dieses Modell ist ziemlich aussergewöhnlich, zugegeben, aber es funktioniert bestens. Nach grosser anfänglicher Skepsis hat sich gezeigt, dass es auch für den Arbeitgeber Vorteile hat, da die Besetzung einer Stelle mit zwei Personen sehr flexibel ist. Ist die Arbeitslast einmal gross, kann auch mal mehr gearbeitet werden. Fällt einer der beiden wegen Krankheit aus, könnte der andere auf Anfrage einspringen. Dies ist vor allem im Nachtdienst wertvoll, wo es schwierig ist, kurzfristig einen Ersatz zu finden. Auch Arzt- und sonstige Termine fallen in die Freizeit. Angestellt sind aber beide getrennt zu je 50%.

Entstanden ist die Idee bei den beiden nach der Kleinkindphase. Die drei Kinder kamen relativ kurz nacheinander. Monika, als Hausfrau zu Hause, musste sich eingestehen, dass diese Phase sie sehr aufbrauchte. Sie sehnte sich nach einer nervenschonenderen Abwechslung und danach, auch wieder etwas anders zu tun. Ruedi wiederum kocht sehr gerne und liebt die Arbeit mit den Kindern.

So wurde Ruedi bei seinem Chef vorstellig. Er machte den Vorschlag, dass er morgens und Monika nachmittags arbeitet.«Kommt gar nicht in Frage.» war die klare Antwort des Professors und die Sache war damit für den Moment vom Tisch. Da Ruedi zu seinem Chef ein sehr gutes Verhältnis hatte, sprach er ihn von Zeit zu Zeit wieder darauf an, bis er irgendwann dann doch einwilligte. Zu Gute kam den beiden dabei, dass Monika in diesem Labor die Lehre absolviert und dort nach der Lehre eineinhalb Jahre gearbeitet hatte. Man wusste also, auf wen man sich einliess.

Als nächstes kamen Bedenken der Teamleitung. In der klinischen Chemie wird mit sehr viel Technik gearbeitet, die sich laufend weiterentwickelt. Man befürchtete, dass Monika Siegenthaler den Anschluss verpasst hatte und nicht mehr mitkommen würde, da sie 10 Jahre nicht im Beruf gearbeitet hatte. Daneben gab es Probleme mit der Einteilung der zwei Teilzeitstellen im Arbeitsplan. Die Schichten im 24-Stunden-Betrieb wurden im 2-Wochenrythmus geplant. Da passte der Morgen-Nachmittag-Wechsel schlecht.

So entstand die Idee, ebenfalls im 2-Wochen-Rhythmus zu wechseln. Den Wiedereinstieg schaffte Monika ohne Probleme. Rückblickend meint sie: «Ich bemerkte, dass die Kinder mich sehr herausgefordert hatten. Auch wurde meine Persönlichkeit sehr gefördert durch das Durchsetzen und Konsequentsein müssen. Ich hatte dazu in der Kirchenarbeit viele verschiedene Aufgaben übernommen, z.B. Erlebniswochen für täglich hundertfünfzig Kinder mitorganisiert, Theater geschrieben, fürs Kirchenblatt interviewt, Sonntagschule gegeben, war Gastgeberin für Müttertreffs, habe Gottesdienste mitgestaltet und so weiter. Gegen all das war der Wiedereinstieg im Labor eine kleine Hürde. Da fiel mir erst auf, was ich in den 10 Jahren alles dazugelernt und getan hatte.»

Umso schmerzhafter war es für sie, dass sie wegen der 10 Jahre Abwesenheit eine grosse Lohneinbusse in Kauf nehmen musste gegenüber ihrem Mann. Monika: «Da kommt man sich schon etwas dumm vor. Ich habe 10 Jahre „gekrampft“, habe zu Hause den Laden geschmissen, ohne Entlöhnung. Finanziell mussten wir den Gürtel sehr eng schnallen, während solche, die ihre Kinder in Krippen geben und Doppelverdiener sind sich vieles leisten können. Jetzt komme ich in den Beruf zurück und während die anderen einige Lohnstufen aufgestiegen sind, erhalte ich den gleichen Lohn wie damals, als ob ich 10 Jahre nichts getan hätte. Das ist hart. Trotzdem bereue ich meinen Entschluss nicht, diese wervollen 10 Jahre bei den Kindern geblieben zu sein. Nichts ist für mich so wertvoll wie diese strenge, aber bereichernde Zeit mit meinen Kindern erlebt zu haben.»

 

 

 

Familienatmosphäre

Beim Essen, wenn wir alle um den Tisch sitzen. Die Kinder sind viel unterwegs in diesem Alter, dann geniessen wir diese Zeit. Oder wenn wir alle gemütlich vor dem Fernseher sitzen, uns einen Tee machen und etwas knabbern.

Highlights

Monika Siegenthaler: Wenn die Kinder trotz Pubertät einem manchmal unaufgefordert zeigen, dass sie einem lieb haben. Zum Beispiel mit einem kleinen Zettel, auf dem etwas Liebes geschrieben steht oder wenn Raphael fragt: «Mami, soll ich Dir einen Tee machen?»
Ruedi : Mein kleines Highlight sind die Küchenkräuter, die ich letztes Jahr zum ersten Mal durchgebracht habe. Ich habe sonst nämlich gar keinen grünen Daumen.

 

 

 

 

Damit kann man mich jagen

Monika Siegenthaler: Wenn ich etwas sage und wieder sage und wieder und es ist immer noch nicht gemacht. Das macht mich sauer und traurig.

So organisieren wir uns

Wir haben gut sichtbar einen Ämtliplan aufgehängt. Jeder ist für etwas zuständig. Beim Abräumen zum Beispiel ist jeweils ein Kind an der Reihe. Wir haben schon versucht alle gemeinsam abräumen zu lassen, aber das war nur chaotisch. Da wurde nur gestritten, wer jetzt schon wie viel gemacht hat.

Typisch Hausmann!

Ich kann es nicht haben, wenn die Küche nicht aufgeräumt ist. In der Wohnung kann alles mögliche herumliegen, aber die Küche, die muss sauber sein.

Typisch Hausfrau!

Ich bin nicht die, die die Küche auf hochglanz poliert- dafür habe ich es nicht gerne, wenn in der Wohnung überall etwas herumliegt. Da ordne ich ganz gerne einmal. Zwei Dinge lasse ich aber zugegebenermassen herumliegen: eine leere Tasse Tee (mit den unbeliebten Teebeuteli zum Entsorgen) und gebrauchte Socken, die am Abend beim Entspannen unter dem Salontisch landeten :-)

Arbeitsteilung

Ruedi : Jeder macht während seinen zwei Wochen die Haus- und Familienarbeit so, wie er es richtig findet. Wir haben beide andere Ansprüche und andere Regeln. Wir haben nicht versucht, uns auf Biegen und Brechen auf gemeinsame Regeln zu einigen. Man muss lernen, dem anderen nicht reinzureden, wenn er etwas anders macht. Die Kinder wissen was bei wem gilt und können gut umstellen.

Raphael: Bei Papi gibt es die bessern Menu’s, bei Mami darf man länger aufbleiben.

Monika Siegenthaler: Man darf auch nicht eifersüchtig sein. Ruedi trifft sich viel mit anderen Hausfrauen. Manchmal lädt er sogar die Lehrerin der Kinder ein, was ich nie tun würde, da sie den Eindruck bekommen könnte, dass man sie irgendwie beeinflussen möchte. Ruedi ist einfach ein guter Gesellschafter und das gönne ich den andern dann.

So tanken wir auf

Ruedi : Das ist die Tour, die ich jedes Jahr mit Teenagern mache. Ich begleite dabei den Adonia-Chor auf seiner Tour als Tontechniker. Der physische Stress ist dabei sehr gross, aber ich liebe diese Einsätze. Ich tanke auf, wenn etwas läuft und ich gefordert werde.

Monika Siegenthaler: Wenn ich einmal alleine sein kann. Wenn zum Beispiel Ruedi mit den Kindern auf Adonia-Tour ist und ich alleine zu Hause bin. Obwohl ich tagsüber im Labor arbeite, ist es abends dann sehr ruhig. Das geniesse ich sehr.

Das treibt uns

Die Kinder sollen die Grosszügigkeit mitnehmen, die wir ihnen vorleben, und dass sie auch die anderen wahrnehmen und nicht nur auf sich selber schauen. Dass sie auch geben können, nicht nur nehmen.

 

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Portrait Mai 2006