Alter: 37    Kinder: Raphael (6½), Domenic (4½) und Bettina (2½)

 

Nach der Geburt ihres ersten Kindes ist Susanne ins kalte Wasser gesprungen – naja, das tut man nach der Geburt des ersten Kindes so oder so – aber sie hat sich gesagt: Wenn ich Kinder habe, dann möchte ich ganz für sie da sein und das nicht nur in den ersten Jahren. Sie hat ihren Job aufgegeben und ihre persönlichen Ansprüche zurückgesteckt.

Nach knapp sieben Jahren bereut sie diesen Schritt nicht: «Meine Kinder müssen nicht einfach nur betreut sein. Sie müssen auch geliebt werden und das kann ich nicht in einen Stundenplan einbauen, geplante Qualitätszeit hin oder her. Dazu gehört mehr als nur Betreuung. Dazu gehört auch die Arbeit an mir selbst, an der Beziehung, dazu gehört es, das eigene Tun regelmässig zu hinterfragen. Und was die Kinder brauchen, das braucht auch mein Partner. Heute werden Beziehungen auf einer anderen Ebene gelebt als früher, wo die Ehe manchmal nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft war. Wir als Eltern sind schliesslich Vorbilder und die Atmosphäre zu Hause beeinflusst die Kinder wohl mehr als alles andere.»

Unter Atmosphäre versteht Susanne aber nicht, den Kindern eine schöne Welt ohne Probleme vorzuspielen und ihre Idealvorstellung ist auch nicht ein schönes Haus mit braven Kindern. Wichtig ist ihr vielmehr ein offenes und ehrliches Klima. Wenn etwas nicht gut läuft, dann soll das offen besprochen werden können. Konflikte sollen transparent sein und nicht unter den Teppich gekehrt werden. Man soll darüber reden und auch Streiten können. Nur so entsteht eine Atmosphäre, in der man sich wohl fühlt und sich entwickeln kann.

Susanne’s Mann ist Berufsschullehrer. Die Lehrlinge, die ihm in der Schule Probleme bereiten, haben die notwendige Unterstützung von zu Hause oft nicht. Auch in diesem Alter braucht es eben noch ein Minimum an Präsenz. Susanne: «Deshalb bin ich auch nicht in der Warteschlaufe, um bald wieder ‚draussen’ zu arbeiten, sobald die Kinder in der Oberstufe sind.» Sie möchte zu Hause bleiben und sich vielleicht vermehrt ehrenamtlich engagieren. Zurzeit ist sie im jungen Elternrat ihrer Schule Kindergartenrätin und macht erste Erfahrungen damit, elterliche Anliegen an den richtigen Stellen zu deponieren, sich als Eltern in Aktivitäten der Schuleinheit einbinden zu lassen, und sie erlebt die Auseinandersetzungen zwischen Politik (Sparübungen) und den Betroffenen auf einer neuen Ebene.

Als ausgebildete Krankenschwester weiss sie, wenn sie noch ein paar Stunden nebenbei arbeiten möchte, dann muss sie flexibel sein, muss sich anpassen mit ihrer Arbeitszeit und auch mal einspringen können. Dann beginnt der Stress, man muss schieben, organisieren – und das alles für ein kleines bisschen mehr Geld.

Dann lieber eine günstige Stadtwohnung und kein Auto. In dringenden Fällen gibt’s ja Mobility. Ein Fernseher und abonnierte Tageszeitungen sind nicht notwendig: Alles, was wichtig ist, bringt der ADSL-Anschluss per Internet ins Haus, oder Radio DRS mit hochwertigen Informations- und Themasendungen. Dafür gönnt sich die ganze Familie einmal im Jahr grosse Ferien am Meer, und die werden dann in vollen Zügen genossen.

 

Familienatmosphäre

Wenn wir alle zusammen auf unserem grossen Bett herumlümmeln, ohne Termine, und die Zeit und alles um uns herum einfach vergessen .

Highlights

Sommerferien am Meer, der bereits traditionelle Besuch mit Übernachtung bei einer anderen fünfköpfigen Familie und natürlich immer dann, wenn es einfach rund läuft, oder kantigere Zeiten gut gemanagt werden können. Mit unserem mittleren Sohn hatten wir zum Beispiel vor einer Weile grosse Probleme. Ich hatte immer lange Diskussionen mit ihm über sein Verhalten. Er hat sehr provoziert, indem er zum Beispiel so nahe am Trottoirrand lief, dass er jeden Moment auf die Strasse hätte stolpern können. Es artete dann immer mehr aus und kam dadurch in eine negative Spirale, aus der er selbst nicht mehr herausfand, bis er tatsächlich die Kontrolle verlor, was natürlich sehr gefährlich wurde.

Ich realisierte, dass meine Massnahmen nicht wirkten und es so nicht weitergehen konnte. Etwas musste geschehen. Ich habe dann angefangen, ihn bei der kleinsten Übertretung gleich ins Zimmer zu schicken. Ich nehme ihn jeweils von Anfang an raus, wenn ich bemerke, dass es wieder los geht und gebe ihm Zeit, sich im Zimmer zu beruhigen. Anfangs hatte ich grosse Zweifel und dachte «das ist jetzt übertrieben, was ich da tue».

Nach einer Weile stellte ich jedoch fest, dass dies wirkt. Obwohl ich im Moment sehr streng zu ihm war, hat sich das Verhältnis zu ihm sehr verbessert und er fühlt sich wohler. Das ist ein schönes Erfolgserlebnis. Und heute können wir’s wieder entspannter angehen.

Damit kann man mich jagen

Ich ärgere mich darüber, dass die Arbeit der Mutter als etwas so selbstverständliches angesehen wird. Nur wo die Familie nicht funktioniert, da ist sie ein Thema. Elternschaft hat an Visionskraft verloren, wurde zu einer privaten Angelegenheit degradiert. Die Auswirkungen dieser Privatisierung sind aber alles andere als auf den privaten Raum beschränkt! Es sollte eine Anerkennung für erfolgreiche Elternschaft geben, da die positiven Auswirkungen ja ebenfalls die gesamte Gesellschaft betreffen und volkswirtschaftlich bezifferbar sind.

Wären die Rollen anders verteilt und die Männer würden sich Tag für Tag abarbeiten, ohne Lohn und ohne dass sich auch nur einmal einer bedanken würde, sie wären schon längst auf die Barrikaden gestiegen.

So organisiere ich mich

In der Freizeit besuchen wir den nahen Park oder dann geht’s rauf in den Wald am Adlisberg. So kommen auch meine Stadtkinder raus in die Natur. Manchmal belieben wir aber auch einfach einen Tag zu Hause und machen es uns gemütlich.

Typisch Hausfrau!

Wenn ich vor einem Termin oder vor dem Weggehen noch 5 oder 10 Minuten Zeit habe, dann versuche ich, diese Zeit effizient zu nutzen und noch schnell etwas zu erledigen. Das «etwas» wird dann aber meist auch nicht fertig und ich habe am Ende den grösseren Stress, als wenn ich es von vornherein bleiben lassen hätte!

Das gönne ich mir

Wenn ich Abstand brauche, esse ich mein Mittagessen auch mal alleine, um anschliessend wieder voll für die Kinder da zu sein.

Diese Fragen bewegen mich

Verschiedene Familienformen und Lebensentwürfe von Familien interessieren mich. Ich beobachte die Entwicklungen in der Wirtschaft, wie Manager und Firmenbosse sich verhalten, ob sie integer sind, ehrlich und aufrichtig, ob bei ihnen die Rendite oder der Mitarbeiter und familienfreundliche Arbeitsbedingungen im Vordergrund steht. Wie sind sie aufgewachsen, wie erzogen worden? Wie haben sie ihre Herkunftsfamilie erlebt? Welches waren die Prioritäten ihrer Eltern und welches die Atmosphäre in ihrem Heim? Diese Zusammenhänge zu ergründen, das interessiert mich.

Portraits oder Biografien von Unternehmern sind da sehr spannend. Und es ist ermutigend, dass es, wenn auch noch in kleiner Minderheit, Kaderleute gibt, die selber eine Familienauszeit genommen haben und denen es wichtig ist, dass Männer ihr Pensum zugunsten der Familie reduzieren können. Ebenfalls äusserst positiv bewerte ich die Gründung einer Koalition für die Familie im Parlament, Die Familien brauchen dringend mehr Beachtung und Einsatz von politischen Entscheidungsträgern!

Das treibt mich

Mutter zu sein bedeutet für mich, die kommende Generation mitzuprägen, Begriffe wie «Dienen», «Selbstlosigkeit», «Güte», «Treue»“ im Alltag umsetzen - oder es zumindest versuchen, Herausforderung und Chance mich mir selbst zu stellen, mich «schleifen zu lassen» .

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Portrait Mai 2005